Mittwoch, 15. Oktober 2014

(Er-)Volksgelaufen

Ich weiß nicht, wer oder was mich geritten hat. In der Euphorie, dass das Laufen wieder klappt, dachte ich mir:
Ich melde mich zu einem offiziellen Lauf an!

Ich war sogar eine ganze Woche lang überzeugt von meinem Plan.
Und die leise Stimme, die versuchte, mich zu erinnern, wie blöd ich öffentliche Veranstaltungen und Menschenmengen finde, drang irgendwie nicht durch die Jubelschreie der Endorphinhooligans in meinem Blut (oder wo die sich noch so rumtrieben).
Schöne Scheiße, da war sie raus die Anmeldung. (Vielleicht würde die Startnummer ja Glück bringen - das Geburtsdatum meines Abiball-Tanzpartners Ben. Zählt sowas nach über 10 Jahren noch?)


Coach David war nett und öffnete das Hintertürchen: "Niemand nimmt es dir übel, wenn du nicht startest." Pah. Natürlich. Immerhin hat die Anmeldung 5 Euro gekostet. Und blöderweise hatte ich es in meinem Rausch ja auch schon meinen KollegInnen erzählt. Doofe Euphorie! Nein, ein Zurück gab es nicht. Wenigstens war ich vernünftig genug gewesen, nur die 5 km zu melden - da bestand doch die reelle Chance, zu überleben.

Einen Tag vor dem Lauf packte mich dann nochmal der Übermut. Ich hatte einen beruflichen Termin mit einem netten Herrn, den ich ebenfalls auf der Starterliste erspäht hatte. Zum Abschied lehnten sich die Endorphinhooligans allesamt weit aus dem Fenster und meinten cool: "Tja, dann sehen wir uns morgen beim Lauf!" Die beiläufige Antwort ließ die wilde Bande dann mucksmäuschenstill werden: "Ja, aber nur die fünf Kilometer. Und auch ganz locker und langsam mit den Kollegen hier ausm Büro. Am Sonntag laufe ich dann den Marathon."
Tja. (Ich verrate nicht zuviel, wenn ich an dieser Stelle sage: Er war (ganz locker und langsam) eher im Ziel als ich. Und er sah so entspannt aus, als wäre er nur zum Zuschauen da.)

Als ich mich dann endlich damit abgefunden hatte, nach langer Zeit mal wieder Opfer meiner eigenen großen Klappe geworden zu sein, richtete ich meine Energien auf die Planung.
Im Gegensatz zu den Erwartungen des KB war nicht meine größte Sorge, was ich anziehe (natürlich hatte ich die Umstände zu nutzen gewusst und damit ein umfassendes Onlineshopping gerechtfertigt), sondern was ich esse. Start sollte um 14 Uhr sein, da würde ich mit einer Mahlzeit nicht hinkommen. Mittag kam auch nicht in Frage, weil zu mächtig. Knifflig. Aber auch hier half mir Onlineshopping: Bei MyMuesli stieß ich auf Müslimischungen von Weleda - die musste ich einfach haben. (Sehr lecker, alle drei! Aber vorm Lauf habe ich nur eins davon gegessen und auch nur ein bisschen. Mit frischer Banane.)


Und wenn ich irgendwas gelernt habe, seit ich wieder laufe (und eigentlich auch, seit ich den Job mache, den ich mache.... aber irgendwie muss ich diese Lektion wohl immer wieder neu lernen und mir klar machen), dann dass man ein Ziel braucht. Also habe ich geknobelt, welche Zielzeit ich mir stecken soll. Oder will. Oder kann. Ehrgeiz gehört mal so gar nicht zu meinen Eigenschaften, insofern sah ich dieses Event nicht als Motivation, alles aus mir rauszuholen. Dazu war ich mir auch eigentlich gar nicht sicher genug, dass ich 5 km durchhalte, denn im Training laufe ich zwar 6 km, aber im Grundlagenausdauerherzfrequenzbereich (falls ihr mal wieder Galgenraten spielt, merkt euch dieses Wort! Sogar mit fiesen Buchstaben!), was bedeutet, dass ich zwischendurch immer mal gehen muss. Oder trippeln. Damit das Herz macht, was es soll.
Gut, also mein wirkliches Ziel war also durchzulaufen. Und mit laufen meine ich laufen, nicht gehen und auch nicht walken. Scheiß auf Herzfrequenz (die würde nach Auskunft von Coach Thorsten eh schon vorm Start zu hoch sein). Aber was ist eine Läuferin ohne Zielzeit? Ich merkte, dass ich um die nicht drumrum kam, auch wenn es mir zuwider war. Also trickste ich. Ich nahm mir vor, die 5 km unter 60 min zu laufen (die sichere Variante) und richtig abzugehen, falls ich eine Zeit roundabout 45 min schaffen sollte (die ehrgeizige Variante).

Am Start mit fast 500 anderen Startern fand ich das ganze Unternehmen ganz kurz doch amüsant. Ich hatte mich wohlweislich hinten im Starterfeld einsortiert, wo es nicht so eng war. Der Startschuss fiel und es passierte - erstmal nix. Und dann beging ich einen entscheidenen Fehler (an dieser Stelle danke an meine Ex-Erziehungsberechtigten, die immer so viel Wert auf Höflichkeit legten...): Ich ließ den Walkerinnen den Vortritt.
Hatte ich erst Sorge gehabt, dass es mir zu eng werden könnte, hatte ich ziemlich schnell mehr Platz als mir lieb war. Nur nicht nach vorn. Da war dieses seltsame Walking-Trio. Ich fand die lustig bis ich versuchte, zu überholen und die immer genau dann in meine Spur wechselten, wenn ich aufschloss.
Um mein Ziel, durchzulaufen, nicht zu gefährden, indem ich schon am Anfang zuviel Gas gebe, blieb ich also hinter den Damen und versuchte innerlich voll drüber zu stehen über dem Kleinkrieg zwischen Walkern und Joggern. (In welchem ich mich bisher als parteilos betrachtet hatte. Schließlich mach ich mal dies, mal jenes. O Schreck, bin ich eine Doppelagentin?) Und ich steh immernoch drüber. Sonst würde ich jetzt nämlich ein paar amüsante Anekdötchen über dieses seltsame Gespann schreiben. Schließlich hatte ich vier Kilometer Zeit für eine kleine Auswertung des sozialen Gefüges.
Aber dann, auf dem letzten Kilometer. Da ließ ich den Organisator (der uns wegen der Verletzungsgefahr ermahnte, nicht über die Bürgersteige zu gehen) 'n guten Mann sein, ging auf 3/4 Leistung und überholte links. Die drei Grazien hinter mir zu lassen, gab mir nochmal extra Schwung (ein inneres Blumenpflücken war es mir! Das Foto entstand kurz nach dem Manöver. Erkennt man, dass ich noch grinse?)

Foto: laufreporter.fotograf.de/
und auf der Zielgerade konnte ich irrerweise tatsächlich nochmal Tempo drauflegen und habe noch ein paar Leute überholt. Es kam alles nicht so richtig in meinem Hirn an auf diesen letzten Metern. Ich nahm noch wahr, dass eine 4 an der (für mich) entscheidenden Stelle der Zeitanzeige stand, als ich über die Ziellinie lief. Als ich mit etwas mehr Luft in den Lungen und etwas weniger Schweiß in den Augen auf meine Uhr schaute, konnte ich es gar nicht fassen: unter 41 Minuten geblieben! Nur war keine Energie zum richtig abgehen mehr über... Dafür freuten sich meine beiden Begleiter umso herzlicher. Vielen Dank euch beiden für eure Unterstützung!

So ganz viel hat sich im Vergleich zu den verhassten Sportveranstaltungen in der Schule eigentlich nicht verändert: 451e von 458 (auf ) zu sein ist... maximal 'ne Teilnehmerurkunde. Aber es fühlt sich viel besser an als damals.
Ich bin stolz, ein Turtlerunner zu sein.

(Und weil ich ja weiß, wie man die Umstände zum eigenen Vorteil nutzt, habe ich mir als Belohnung ein neues Paar Laufschuhe gegönnt. Als Sahnehäubchen: in real life mit toller Beratung statt online. Und obwohl ich keine Farbwünsche geäußert habe, passen sie zu meinem Laufoutfit...)


2 Kommentare:

  1. Ich bin sehr stolz auf dich. Fünf Kilometer sind echt toll. Mir waren damals in der Schule schon zwei Kilometer zu viel. Fünf Runden um den Sportplatz, wie ätzend.

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  2. Dankeschön!
    Aber in der Schule ging es mir ja auch nicht anders....

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